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Hospiz​Felle

ein letztes Zuhause für sterbende Katzen

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Bailey

Bailey zeigte mir, dass ich über Katzen und deren Beziehungsstrukturen noch viel zu lernen hatte. Diese Zeit war von heute aus betrachtet nicht fair für die Tiere, aber ein wichtiger Prozess und zum Glück ging auch alles später gut aus. Ich will trotzdem so ehrlich wie möglich davon erzählen, damit andere diesen Fehler vielleicht nicht machen.

Einige Wochen nach dem Tod von Sylver begann die Suche nach einem neuen Begleiter für Vincent. Die Auswahl vergrößerte sich mit jedem Tierheim, das wir ansteuerten. Einige Kandidaten fühlten sich gut an an, andere schienen nicht ganz zu passen. Schließlich konnten wir doch auf zwei Katzen reduzieren, eine davon war Bailey. Hätte ich mich damals etwas mehr auf mein Bauchgefühl verlassen und durchgesetzt, wäre meine Wahl wohl ausschließlich auf die andere gefallen. Aber -und das war wohl der größte Fehler, den ich als Katzenliebhaberin machen konnte- es wurden dann beide.

Der etwa fünfjährige Bailey war schon beim ersten Tierheimbesuch auf meine Ansprache aus seiner Kuschelhöhle gekommen, strich um die Beine, rollte sich zum Kuscheln und Kabbeln auf den Rücken und schleimte sich bei meinem damaligen Partner und mir aufs Heftigste ein. Also durfte er bei uns einziehen. Doch nicht nur er, zeitgleich kam auch ein zartes, junges Katzenmädchen zu uns, das charakterlich super zu Vincent gepasst hatte. Die Motte war freundlich, schnurrte noch lauter als Vince und wollte eigentlich nur lieb gehabt werden. 

Ich hatte mit der Zusammenführung von Sylver und Vince wahnsinnig Glück gehabt und mich nicht wirklich mit dem korrekten Ablauf auseinandergesetzt, als alle Drei das erste Mal aufeinander trafen. Bailey war Vincent gegenüber vorerst neutral eingestellt, schließlich war das seine Wohnung. Die Motte konnte er aber vom ersten Tag an nicht ausstehen. Und da sie ihm auch körperlich nichts entgegenzusetzen hatte, wurde sie sein liebstes Opfer. Er scheuchte sie vom Kratzbaum, jagte sie über die gesamte Kletterwand, vom Futterplatz und ließ sie nicht mehr in oder aus Räumen oder von der Toilette. Es endete damit, dass die beiden Kater räumlich von der Katze getrennt werden mussten. 

Bei dem Umzug in eine neue und größere Wohnung starteten wir die Eingewöhnung aufs Neue und dieses mal mit etwas mehr angelesenem Wissen. Die ersten Wochen hatten beide "Parteien" ein jeweils eigenes Zimmer, es wurden Decken getauscht, Futterspiele an der Tür veranstaltet und langsam ein neues Zusammenführen versucht. Doch leider funktionierte es nicht, Bailey gefiel sich zu sehr in der Rowdy-Rolle. Und er steckte auch Vincent damit an, sodass auch der mit der Zeit rüpelig mit Motte wurde. Diese Episode endete mit der Suche nach einem Zuhause für sie und eine tolle Familie mit Hof und Garten nahm das Katzenmädchen auf, wo sie Freigang mit Familienanschluss genießen durfte.

Bailey und Vincent wuchsen in dieser Zeit aber insofern zusammen, als dass beide Kater gut miteinander auskamen. Als in der Wohnsituation Ruhe entstand, entspannte auch der braun-weiße Teddybär immer mehr. Sein Lieblingsspiel war es nicht nur, Bällen hinterher zu jagen, sondern auch mit der Hand vom Frauchen zu kabbeln. Sobald eine bestimmte dicke Socke über die Hand gezogen wurde, ging die Rauferei los und kaum war sie wieder verschwunden, wurde ausgiebig gekuschelt. Der Bär war kein Typ, der viel Nähe zu anderen Katzen brauchte, aber sein tierischer Nachbar war ihm anscheinend ganz angenehm. Besonders im Winter lagen sie gern Rücken an Rücken auf der Couch. Er war überhaupt eine Couch-Potato. Während Vince weiter Freude am Lernen hatte (als er verstanden hatte, wie Schränke aufgehen, mussten viele Kindersicherungen angeschafft werden-  auch für den Kühlschrank), machte sich Bailey aus Kopftraining nicht viel und der Freigang auf der Terrasse wurde auch nur bei sonnigem, windstillen Wetter genutzt. Wind war gruselig und Schnee ging gar nicht. 

Die Jahre vergingen und das Leben brachte einen weiteren Wohnungswechsel, einen neuen menschlichen Mitbewohner und neue Kontakte. Wir lebten schön und friedlich zusammen, bis der nächste Schlag dafür sorgte, dass Vincent bald auch Bailey überleben sollte.

Bailey wurde zurückgezogener und wirkte müde. Erst hielten wir es für einen Infekt oder die Kälte des Winters, aber als der erste Besuch beim Tierarzt und antibiotische Therapie keine Wirkung zeigte, die Blässe von Schleimhäuten und Ohren in kurzer Zeit rapide zunahm, ließen wir unter anderem ein Blutbild machen. Es stellte sich heraus, dass er keine roten Blutkörperchen mehr bilden konnte. Die genaue Ursache der Anämie war nicht klar, aber die Problematik war auch schon zu weit fortgeschritten, als dass es noch etwas geändert hätte. Zwei Wochen nach den ersten spürbaren Symptomen hatte er nicht einmal mehr die Kraft, zum Urinieren sein Körbchen zu verlassen und wir mussten ihn erlösen.


Wir sind dankbar für alles, was Bailey uns zu lehren hatte.